Anregungen für den WG-Alltag
Für BetreuerInnen von Wohngemeinschaften im Auftrag des Fonds Soziales Wien
Es sind herausfordernde Zeiten und eine noch nie dagewesene Situation. Der sonst gut eingespielte Tages-, Wochenablauf ist unterbrochen. Wir haben einige Anregungen zusammen gestellt, die helfen können, mit der Situation umzugehen, Konflikte zu reduzieren und die schwierige Zeit dafür zu nützen, über das Zusammenleben in Austausch zu kommen.
Was tun bei plötzlicher Konfrontation mit Missbrauchsdarstellungen von Kindern auf Zoom und anderen Live-Streaming-Plattformen?
Konkrete Schritte für den Umgang
Umfassende Maßnahmen zur Eindämmung von Covid19 sind mittlerweile Alltag geworden. Social Distancing führt dazu, dass sich viele Bereiche des Lebens jetzt online abspielen. Schulen und Universitäten halten Unterricht teilweise online ab, Teams treffen Entscheidungen in Videokonferenzen, Vorträge werden über öffentlich zugängliche Links von einem breiten Publikum live gehört.
Es kommt zur Zeit leider auch vermehrt vor, dass live-streaming-Plattformen mit dem plötzlichen Einspielen von Missbrauchsdarstellungen von Kindern (i.d.R. eher unpassend als »Kinderpornos« bezeichnet) konfrontiert sind. Denn auch Personen, die einen Machtkick und Lustgewinn daraus ziehen, andere durch die Konfrontation mit Kinder-Missbrauchsvideos zu verunsichern, sind verstärkt online aktiv. Der Besitz und das Verbreiten dieser Inhalte stehen unter Strafe, weil hinter jedem produzierten Video real statt gefundene sexualisierte Gewalt an Kindern steht.
Eine Konfrontation mit solchen Videos sollte umgehend unterbunden werden. Das bloße Ansehen ist vor allem für Kinder und Jugendliche, aber auch für Erwachsene irritierend und kann verstörend sein.
Folgendes Vorgehen empfehlen wir, falls Sie an einem Videochat oder einer Konferenzschaltung teilnehmen, in die »Missbrauchsdarstellungen von Kindern« eingespielt werden:
Während des Streams
Blockieren des Accounts
Die für den Stream Verantwortlichen können durch ihre administrativen Rechte den Account, von dem aus Videos eingespielt werden, blockieren. Tun Sie das umgehend.
Das Gesehene benennen
Benennen Sie für die verbleibenden Teilnehmer_innen, dass das eingespielte Material Abbildungen sexualisierter Gewalt sind und Besitz sowie Verbreitung strafbar sind. Benennen Sie, dass sie sich von dem Gezeigten distanzieren, und dass Sie als Administrator_in die Verantwortung für weitere Schritte im Umgang mit der Situation übernehmen.
Kontakt für Einzelne zur Verfügung stellen
Erklären Sie, dass die gesehenen Gewalthandlungen schwierige, vielleicht sogar ambivalente Gefühle wie Ekel, Zorn, Schock, aber auch Erregung, Irritation und Verleugnung („War etwas? Ich habe nichts gesehen.“) auslösen können. Geben Sie eine konkrete Mailadresse oder Telefonnummer an, unter der Sie zu erreichen sind und Teilnehmer_innen Sie kontaktieren können.
Ankündigen einer gemeinsamen Nachbereitung
Kündigen Sie außerdem an, dass Sie die Situation zu einem späteren Zeitpunkt mit allen Teilnehmer_innen gemeinsam nachbesprechen werden. Nennen Sie – wenn möglich – einen konkreten Zeitpunkt im Rahmen der kommenden Woche. Informieren Sie darüber, dass Sie sich ggf. Unterstützung holen werden.
Beenden des Streams
Beenden Sie den Stream sofort, wenn Missbrauchsvideos trotz Blocken von Accounts weiterhin auftauchen. Falls das Einspielen der Videos gestoppt konnte, haben Sie etwas Zeit, um sicher zu gehen, dass alle Teilnehmenden das weitere Vorgehen verstanden haben.
Nach Beendigung des Streams
Unterstützung holen
Holen Sie sich Unterstützung. Diese Situation ist mit Sicherheit eine belastende und es ist hilfreich, die weiteren Schritte nicht alleine zu setzen und Entscheidungen nicht alleine zu treffen.
Kontaktieren Sie eine Beratungsstelle (z.B. Selbstlaut oder frauenberatenfrauen), einen 24-Stunden-Notruf (z.b. http://www.frauenhelpline.at 0800-222 555) oder eine Anwältin_einen Anwalt.
Suchen Sie sich, wenn möglich, auch im privaten Umfeld eine Vertrauensperson, die Sie in dieser Situation begleiten kann.
Meldung bei der »Meldestelle Kinderpornografie«
Da hinter sexualisierten Darstellungen von Kindern ein real stattgefundener Missbrauch steht, trägt die polizeiliche Meldung und Nachverfolgung im Idealfall dazu bei, dass Personen/Netzwerke ausfindig gemacht werden, die solches Material verbreiten und/oder erstellen.
Eine Meldung ist unumgänglich. Kontaktieren Sie die »Meldestelle Kinderpornografie« des Bundeskriminalamts. Unter folgender Telefonnummer erreichen Sie das Bundeskriminalamt: +43-(0)1-24836 Dw. 985025, -985026 oder -985027. Sie werden mit der Meldestelle verbunden und können die konkreten Schritte abstimmen.
Meldestelle Kinderpornographie und Sextourismus mit Kindern
Telefax: +43-(0)1-24836-951310
E-Mail: meldestelle@interpol.at
https://www.bundeskriminalamt.at/602/start.aspx
Auszeit von dem Thema
Es kann sein, dass Sie mit dem Thema oder auch den konkret gesehenen Bildern stark beschäftigt sind. Gönnen Sie sich zwischendurch immer wieder Auszeiten — auch wenn jetzt einiges zu organisieren und zu tun ist. Atmen Sie durch und machen Sie Pausen.
Versuchen Sie, das Gesehene aktiv ‚auszuschalten‘, auf eine imaginierte Stop-Taste zu drücken. Verbringen Sie Zeit mit anderen, schönen Themen.
Nachbereitung des Vorfalls
Holen Sie sich Unterstützung durch Fachkundige für die Nachbesprechung mit der gesamten Gruppe. Expert_innen können erklären, warum Personen so etwas tun und wie eigene Netzwerke sicherer gestaltet können, ohne ein »Überwachungssystem« aufzubauen. Gemeinsamer Austausch zu dem Thema hilft, um die Gruppe zu stärken und das Geschehene verarbeiten zu können. Es ist auch die Grundlage dafür, sich gemeinsam dann auch wieder anderen Themen widmen zu können.
Informationen an Kinder
Mit Kindern über Schwieriges ins Reden zu kommen, ist stärkend und einer der Bausteine der Prävention von sexualisierter Gewalt an Kindern. Das Signal ist dann, dass zwar einige Erwachsene so komische und unangenehme Dinge tun, wie eben so ein Video zu posten – aber dass es andere Erwachsene gibt, mit denen man über schwierige Themen gut reden kann, die sich auskennen und wissen, wo Kinder sich Hilfe holen können.
Weitere Informationen zu dem Thema finden Sie in unseren Publikationen und Materialien.